presseberichte

Süddeutsche Zeitung 01.06.2007:

"Es gibt keine Alternative zu grünem Strom"

Siegfried Grob und seine Firma "projekt21plus" erklären Konsumenten, welche Versorger ökologisch wirklich saubere Energie anbieten

Er hilft, wenn jemand auf grünen Strom umsteigen will. Siegfried Grobs Beratung für den Wechsel zum Ökoanbieter kostet den Kunden nichts, ist aber auch nicht das einzige Standbein seiner Firma "Projekt21plus". Er berät Geldanleger über ökologische Investments oder Hauseigentümer bei der Installation eines Blockheizkraftwerks. Siegfried Grob erklärt, warum ein Wechsel zum grünen Strom wichtig ist - trotz des Angebots der Stadtwerke München (SWM), mit dem Zuschlag für M-Natur ebenfalls etwas für die Umwelt zu tun.

SZ: Herr Grob, Sie beraten beim Wechsel zu einem Ökostromanbieter. Hat die Nachfrage in den vegangenen Monaten zugenommen?

Grob: Wir haben in der Zeit, da der Klimaschutz ein Tagesthema geworden ist, Rückenwind gespürt. Früher war es schwieriger, Leute von einem Wechsel zu überzeugen. Die Nachfrage hat sich ungefähr verdoppelt.

SZ: Wohin wechselt der Klimafreund am besten?

Grob: Wir empfehlen der derzeit drei Ökostromanbieter, die Naturstrom AG, Greenpeace Energy, und die Elektrizitätswerke Schönau. Die bringen tatsächlich eine Veränderung im Markt.

SZ: Wofür brauche ich die Beratung?

Grob: Um die echten von den nicht so echten Angeboten abzugrenzen. Es gibt viele, die Ökostromtarife anbieten, aber keine Ökostromanbieter sind. Der Unterschied ist, dass diese Konzerne mit der Atom- und Kohlewirtschaft verbunden sind. Sie teilen ihren Strommix auf, sodass die Ökostromkunden den Wasserkraftstrom bekommen und die anderen den restlichen. So passiert aber nicht wirklich etwas Entscheidendes. Entscheidend ist, dass der Stromanbieter neue Strukturen aufbaut, dass er nichts mit der Atom- und Kohlewirtschaft zu tun hat, dass er in effiziente, kleine, dezentrale Anlagen investiert, die den Strom aus wirklich erneuerbaren Energien produzieren und die entstehende Wärme ebenfalls nutzen.

SZ: Kann ich damit wirklich das Klima retten, oder bleibt das nicht eher ein Tropfen auf den heißen Stein?

Grob: Erstens ist der Wechsel ein Signal an den bisherigen Anbieter. Zweitens nimmt der Kunde Einfluss: Er fördert mit seinem Geld erneuerbare Energien und dezentrale Anlagen. Drittens wächst der Wettberwerb mit steigender Marktmacht der Ökostromanbieter.

SZ: Wenn sich die Hälfte der Münchner für einen dieser drei Anbieter entscheiden würde, könnten die das überhaupt bewältigen?

Grob: Ökostromanbieter kaufen bei größerem Bedarf auch Strom dazu, aber nicht über die gewöhnliche Strombörse, sondern nur von ebenfalls "sauberen" Betreibern. Außerdem bauen sie bei großer Nachfrage neue Anlagen.

SZ: Wie funktioniert der Wechsel?

Grob: Wir erklären kostenlos, welches Konzept hinter welchem Anbieter steht und welcher zum Kunden passt. Danach muss der Interessent noch den Vertrag ausfüllen, alles Weitere geht automatisch. Der neue Anbieter kündigt den alten Vertrag und beliefert. Wir bekommen dafür eine Aufwandsentschädigung von den Stromanbietern, die ist aber gering. Wir gleichen das zum Beispiel mit einer ethisch-ökologischen Investment- und Altersvorsorgeberatung aus.

SZ: Ist Ökostrom teurer?

Grob: Für einen normalen Münchner Haushalt ist der Unterschied gering. Ökostrom ist schon für zwei bis drei Euro mehr auf der monatlichen Stromrechnung zu haben. In manchen Gebieten Deutschlands ist Ökostrom sogar bereits günstiger als konventioneller.

SZ: Warum sollte man überhaupt wechseln? Auch ein SWM-Kunde kann doch mit M-Natur erneuerbare Energien fördern.

Grob: Den SWM ist es egal, wie der Strom produziert wird. Sie wehren sich seit langem dagegen,aus der Atomenergie auszusteigen. Umweltpolitische Aspekte spielen hier keine so große Rolle. Das sieht man auch daran, dass sie im Moment eine große Investition in ein Steinkohlekraftwerk planen. Wenn die SWM dann auf der anderen Seite einen Ökostromtarif anbieten, in dem die Kunden mit Wasserkraftstrom beliefert werden, den die Stadtwerke eigentlich schon immer haben, ist ökologisch noch nichts passiert. Der kleine Aufschlag, den die Tarifkunden zahlen, entscheidet nichts. Die SWM agieren trotzdem so weiter wie gehabt.

SZ: Die geplante Investition in das Steinkohlekraftwerk Herne brauchen die SWM aber doch, um den Strom aus dem Atomkraftwerk Ohu zu ersetzen, das 2019 abgeschaltet wird. Irgendwie muss eine Millionenstadt mit Strom versorgt werden, und so schnell geht es nicht mit den regenerativen Energien.

Grob: Die SWM schreiben auf ihre Rechnungen, dass sie atomstromfrei sind. Das heisst, dass der Strom aus Ohu offenbar nicht für die Münchner Haushalte verwendet wird. Warum muss dieser Strom also ersetzt werden? Zum anderen gibt es viele Möglichkeiten, den Strom bis dahin zu ersetzen. Zum einen durch verstärkte Investitionen in erneuerbare Energien, zum anderen durch Maßnahmen, die den Stromverbrauch senken. Die SWM haben sehr viel Knowhow und könnten mit Energiespar-Contracting auch Geld verdienen.

SZ: Was bedeutet Contracting?

Grob: Die SWM bieten beispielsweise Betrieben an, durch Effizienzmaßnahmen den Verbrauch zu senken. Das Geld, das die Firma spart, fließt für ein paar Jahre an die SWM. So etwas wird zum Beispiel auch Kapitalanlegern in geschlossenen Fonds angeboten.

SZ: Das ist ein übliches Verfahren?

Grob: Ja, die Stadt Kempten hat das in Eigenregie gemacht, sie hat sehr viel Strom und Geld eingespart, was der Stadt zugute kommt.

SZ: Ist das nicht ein Problem der Größe?

Grob: In München ist das Potential zum Einsparen größer. Die SWM könnten aber auch stärker als geplant in die Offshore-Windkraft oder in Solarparks in Spanien einsteigen. Außerdem gibt es in Bayern ein großes Potential an Windkraft und Geothermie.

SZ: Das planen die SWM ohnehin. Sie haben sich dazu verpflichtet, den Anteil an erneuerbare Energien von sieben auf 20 Prozent zu heben und sind bereits in Verhandlungen mit vielen Betreibern. So etwas braucht Zeit. Sie sind der Meinung, dass das schneller gehen kann, als die Stadtwerke vorgeben?

Grob: Bis 2019, das ist noch eine lange Zeit. Kleine Kraftwerke mit erneuerbaren Energien zu bauen, das geht viel schneller, als ein großes. Und zum Ziel: 20 Prozent sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber der wurde ja eher vom Stadtrat erkämpft. Außerdem dürfen sich die SWM diesen Strom nicht auf ihren Energiemix anrechnen, weil sie dafür Zuschüsse aus dem Erneuebare-Energien-Gesetz erhalten. Das würde sonst gegen eine europäische Richtlinie verstoßen.

SZ: Ist es nicht das Hirngespinst einer Handvoll Idealisten zu glauben, der Strom aus dem Atomkraftwerk Ohu ließe sich komplett aus regenerativen Energien und Angebote wie Contracting ersetzen?

Grob: Für mich ist das keine Utopie. Die Frage stellt sich auch nicht. Es gibt keine Alternative. Wir müssen sowieso dahin kommen: Die fossilen Rohstoffe, die wir importieren, gehen zur Neige. Wir können es uns auch aus Klimaschutzgründen nicht leisten, weiterhin soviel Kohlendioxid zu produzieren. Die derzeit noch vorherrschende Energieverschwendung können wir aber auch nicht über erneuerbare Energien decken. Man muss also beides machen: sowohl mit aller Kraft den Verbrauch senken, als auch die regenerativen Quellen erschließen. Nur so kann man die Ziele erreichen, die europäisch und und national gesetzt wurden.

SZ: Sind die SWM bei dem Thema hintendran, oder ist das ein Problem der meisten Energieversorger?

Grob: Es gibt durchaus Versorger, die weiter, aber auch nicht ganz so groß sind wie die Stadtwerke München, zum Beispiel die Stadtwerke Aachen oder Schwäbisch Hall. Sie sind viel progressiver in ihrem Denken, arbeiten recht profitabel und machen gute Gewinne. Da können die SWM noch vieles lernen. Wo sie bisher nicht so schlecht sind, ist die Kraft-Wärme-Kopplung, aber die Kraftwerke werden eben noch mit fossile Brennstoffen betrieben.

SZ: Die eigentlich beschlossene Beteiligung der SWM an Kohlekraftwerken ist ja ins Wanken geraten, weil die Grünen bezweifeln, dass dieser Weg richtig ist. Deshalb gibt es im Juni einen Klimagipfel. Machen Sie sich große Hoffnung, dass sich dadurch die Richtung noch ändert?

Grob: Ich denke, die Mehrzahl der Münchner möchte nicht, dass die SWM massiv in die Steinkohle investieren. Das würde nach SWM-Angaben 1,3 Millionen Tonnen mehr Kohlendioxid-Ausstoß bedeuten.

SZ: Sie haben deshalb nun eine E-Mail-Protestaktion gestartet. Was wollen sie damit erreichen?

Grob: Daran kann sich jeder beteiligen, in dem er einen Brief auf unserer Website unterschreibt. Damit signalisiert er, dass er mit der Steinkohle nicht einverstanden ist und sich mehr Engagement für Klimaschutz und Effizienz wünscht. Wenn genügend Münchner bereit sind, ihr Votum abzugeben und Druck entsteht, ist die Beteiligung an der Steinkohle zu verhindern.

Interview: Doris Näger, SZ