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süddeutsche zeitung 03.09.2002

Wie grün ist mein Strom?
Die große Auswahl zwischen den Öko-Angeboten

Grüner Strom - das kann ein Beitrag zum Klimaschutz sein: Wenn elektrische Energie mit Hilfe von Wasserkraft, Sonnenlicht oder Biomasse erzeugt wird, entsteht unterm Strich kein klimaschädliches Kohlendioxid (CO2). Angeboten wird „grüner Strom" inzwischen von etwa 200 Lieferanten Die Frage ist nur: Wie stellt man fest, ob eine Kilowattstunde wirklich „grün" ist?

Möglichkeit l:
Man analysiert, wie ein Öko-Stromproduzent seine Einnahmen verwendet. Beispiel Münchner Stadtwerke: Eine „normale" Kilowattstunde Strom kostet circa 15 Cent; zusätzlich gibt es einen Öko-Aufschlag von 1,78 Cent, den inzwischen etwa 8000 Münchner freiwillig bezahlen. Diesen Aufschlag nutzen die Stadtwerke für die Erweiterung der umweltschonenden Stromerzeugung. Manche neu gegründeten Öko-Anbieter wie die Naturstrom AG können sogar darauf verweisen, dass sie nicht nur den Aufschlag, sondern den gesamten Strompreis in die Nutzung regenerativer Energien investieren

Möglichkeit 2:
Man überprüft, wie ein Anbieter seinen Strom produziert. Beispiel Lichtblick GmbH: 70 Prozent ihres Stroms kommen aus Wasserkraft, 27 Prozent aus Kraft-Wärme-Kopplung und 3 Prozent aus Windkraft. Beim Öko-Angebot der Münchner Stadtwerken sind es 98 Prozent aus Wasserkraft und 2 Prozent aus Fotovoltaik, Windkraft und Deponiegas. Allerdings können solche Rechnungen tückisch sein, wie ein Gedankenspiel zeigt: Ein Stromkonzern, der jeweils zur Hälfte Atomstrom und Solarstrom erzeugt, könnte all seinen Solarstrom an eine pseudo-ökologische Tochterfirma verkaufen, die dann "sauberen" Ökostrom anbietet. Kritiker verlangen deshalb, die Verflechtung eines Anbieters in die Atomindustrie zu betrachten: ?Ein Ökostrom-Anbieter, der auch Strom aus Atomenergie produziert, ist in meinen Augen nicht sonderlich ökologisch", sagt zum Beispiel der Münchner Siegfried Grob, der eine kostenlose Strom-Beratung anbietet
(www.oekostromwechsel.de, in Kooperation mit mehreren Anbietern).
Bei einer solchen Betrachtung kommen die Münchner Stadtwerke schlechter weg: Ihnen gehört ein Viertel vom AKW Ohu II - was die Stadtwerke zwar gerne verkaufen würden, aber bisher nicht losgeworden sind.

Letztlich ist die Entscheidung für ein Öko-Angebot also eine Frage der Präferenzen: Will ich einen Anbieter, der viel in den Klimaschutz investiert? Will ich ein eher billiges Öko-Angebot? Will ich einen Stromlieferanten, der nichts mit der Atomindustrie zu tun hat? Die Antworten können unterschiedlich ausfallen - die Wahl eines bestimmten Anbieters auch. Hilfreich bei der Auswahl ist auch der Verein ?Bund der Energieverbraucher", der im Internet eine neutrale Stromberatung bietet und Preise vergleicht. Klar ist dabei, dass Ökostrom, der zuhause aus der Steckdose kommt, physikalisch nichts Besonderes ist - weil es eben nur ein Stromnetz gibt, in das alle Produzenten einspeisen. Was nicht bedeutet, dass eine Entscheidung für Ökostrom wirkungslos wäre: Wer ein seriöses Angebot wählt, sorgt dafür, dass regenerative Energien in Deutschland einen höheren Marktanteil bekommen.

Felix Berth