presseberichte

interview redakteurin frauke liesenborghs, gcn newsletter 02.06.2001

Stromwechsel – ja, bitte!
Wer den Ausstieg will, muss ihn ganz einfach nur machen
Interview mit Siegfried Grob

In den Medien und auf Plakaten wird allerorts für "grünen" Strom geworben. Das siehtdoch eigentlich auf den ersten Blick so aus, als wenn der Einstieg in den Atomenergie-Ausstieg bei uns schon tatkräftig vollzogen wird und dass alle, auch die ganz großen Anbieter wie Stadtwerke und andere Energiemultis, umgedacht haben?

Der erste Blick täuscht leider. Seit 1998 der Strommarkt liberalisiert wurde, entstand einerseits für die Verbraucher ein immer größeres Angebot an Stromtarifen und Anbietern. Das betrifft auch die Angebote im Bereich des grünen Stroms. Andererseits wurde es aber genau wegen dieser vielen Wahlmöglichkeiten unübersichtlich.
Wer wechseln will, kommt also nicht umhin, sich genau darüber zu informieren, woher der angebotene Strom kommt:.Welcher Energie-Mix steht hinter dem Angebot? Ist es tatsächlich regenerativer Strom bzw. investiert der Anbieter seinen Gewinn in den Ausbau von regenerativer Energieversorgung? In vielen Fällen ist es einfach Augenwischerei: Es wird Wasserkraft angeboten und hinter den Kulissen wird nur rein rechnerisch etwas umverteilt. Die einen bekommen mehr Energie aus den alten großen Wasserkraftwerken, die anderen dafür mehr Atomstrom. Beides bietet dasselbe Unternehmen an. Wer wirklich aussteigen will, muss hinter die Kulissen schauen. Das ist sehr gut möglich, denn wer mit der Atomindustrie verbandelt ist, ist bekannt.

Aber als Verbraucherin "glaube" ich ja zunächst den schönen Bildern und Behauptungen von oft prominenten Vorbildern, die wasserseelig durch eine schöne Landschaft taumeln.

Grundsätzlich ist es ja sehr erfreulich, dass öffentlich die Möglichkeit des Wechsels kommuniziert wird. All das verweist auf eine Veränderung und vor allem auf die Möglichkeit der aktiven Teilhabe an einer solchen. Doch aufgepasst: Es gibt inzwischen weit über 100 angeblich grüne Stromanbieter. Nach welchen Kriterien soll man sich orientieren, denn meistens nützen dem Umstiegswilligen selbst Zertifikate nicht viel. Wer kennt beispielsweise schon den Unter-schied zwischen dem Grünen Strom Label, dem Zertifikat des Ökoinstituts oder dem Label, das der TÜV vergibt.
Auch eine Unterscheidung zwischen einem "Vollversorger", der den konventionellen Stromanbieter vollständig ablöst und dem "Zuschussmodell", das den Netzbetreiber miteingliedert und die gesetzliche Vergütung von Ökostrom nutzt, ist für den Ottonormalverbraucher zu undurchsichtig.
Hintergrundinformationen, so scheint es, sind für den Einzelnen nur mit sehr viel Aufwand zu bekommen.
Zudem sind die Beweggründe für den Wechsel unterschiedlich: Die einen wollen ein reines Gewissen oder einfach nur atomstromfreie Energie, die anderen bevorzugen 100% regenerative Energie, ohne wenn und aber. Dazu kommt der individuelle Verbrauch und die Finanzkraft.

Das klingt alles sehr kompliziert. Ist der individuelle Stromwechsel tatsächlich so schwierig?

Nein, überhaupt nicht. Erstens grundsätzlich: Jeder, der es wirklich wissen will, hat die Möglichkeit sich über konkrete Nachfragen bei den Anbietern oder über das Internet oder andere Info-Kanäle zu informieren. Die Zeiten, in denen es hieß, ?die da oben werden es schon richten?, sind für den aufgeklärten Bürger vorbei. Doch das bedeutet natürlich auch ein couragiertes Über-nehmen von Selbstentscheidung und Verantwortung. Zweitens: Man kann sich ganz einfach bei der Entscheidungsfindung helfen lassen.

Du bietest eine kostenlose und unabhängige Stromberatung an. Was muss man sich darunter vorstellen?

Zunächst: Ziel der Stromberatung von projekt21plus ist zum einen den Atomausstieg zu beschleunigen, der sich aus dem Vorrang der erneuerbaren Energien durch das EEG ergibt.
Zum anderen den Aufbau der alternativen Stromproduktion zu fördern und somit konkret und regional den Menschen ein Werkzeug in die Hand zu geben, die Klimaerwärmung zu verlangsamen. Die kostenlose Dienstleistung von projekt21plus besteht darin, jedem Interessierten ‘unabhängig’ Hintergrundinformationen über grüne Stromanbieter zu liefern.
Dies betrifft die Zusammensetzung der Stromproduktion, Verflechtungen zur Atomindustrie, Seriosität des Angebots und Preise.
‘Unabhängig’ deshalb, weil wir nicht einem Lieferanten zuarbeiten, sondern nur denen, die unseren Kriterien genügen: in keinem Punkt eine Verbindung mit der Atomindustrie sowie Einsparung von mindestens 2/3 CO2.
Der kostenlose Service beinhaltet weiterhin die Berechnung der individuellen Kosten und die Organisation des Stromwechsels.
Die Erfahrung hat gezeigt – viele umwelt- und zukunftsbewusste Menschen suchen genau nach diesen Informationen und nehmen die Beratung gerne an.

Was passiert, wenn ich mich bei projekt21plus melde?

Oft ist den Verbrauchern nicht klar, dass ein Wechsel zu einem grünen Stromanbieter keine erheblichen Mehrkosten bedeutet. Meistens kostet grüner Strom pro Monat nicht mehr als zwei Bier in der Kneipe. Zum Teil wird echter grüner Strom sogar günstiger angeboten als konventionell erzeugter Strom. Viele sind erstaunt wie einfach der Stromwechsel sein kann – es ist wirklich ein Kinderspiel.
Die größte Leistung, die jeder vollbringen muss, ist womöglich, die Stromrechnung zu finden, denn die brauchen wir für die reale Berechnung. Dann können wir, auf der Basis des Verbrauchs und in Absprache mit den individuellen Wünschen, zum Beispiel Förderung der Sonnenenergie, ein sehr konkretes Angebot errechnen.
Wenn unser Vorschlag akzeptiert ist, bereiten wir alle Formalien vor und schicken den neuen Vertrag zur Unterschrift zu. Alles Weitere, auch die Kündigung beim alten Stromanbieter, passiert automatisch. Für den Verbraucher entsteht kein zusätzlicher Aufwand mehr.
Wie gesagt – ein Anruf genügt. Leichter kann ein Wechsel, ein Beitrag in eine nachhaltigere Zukunft eigentlich nicht sein.Wir dürfen nicht vergessen: Je mehr Haushalte auf grünen Strom umsteigen, desto schneller werden Atomkraftwerke abgeschaltet.
Zudem können die Verbraucher durch ihr Verhalten, ähnlich wie beim Shell-Tankstellen-Boykott, die Stromanbieter zum Umdenken zwingen.

Was sind die konkreten Erfahrungen aus der Plakat-Kampagne?

Ein Plakat kann nur eine stützende Funktion haben. Es gibt zu viele persönliche Verun-sicherungen und Fragen. Deshalb ist es wichtig, Plattformen zu eröffnen, auf denen alle individuellen Annäherungen geklärt werden können. Es ist doch bezeichnend, dass aufgrund von zwei Radiosendungen in München sich über 300 Menschen prompt gemeldet haben. Das Potential für den Wechsel ist also da und wir, die wir alle keine kommerzielle Interessen vertreten, müssen es gemeinsam schaffen, diese Bereitschaft zu bedienen. Das klingt nach Einseitigkeit, es ist jedoch ein win-win-Spiel.